Doch welche Vor- und Nachteile verbergen sich hinter beiden Varianten und ab wann lohnt sich die Investition in eine kostenpflichtige ERP-Lizenz?
Einführung eines ERP-Systems
Ab einer gewissen Unternehmensgröße ist die Einführung eines ERP-Systems unumgänglich. Dies betrifft insbesondere den Mittelstand. Ist das System auf die Prozesse und Branche des Unternehmens abgestimmt, lassen sich damit Geschäftsprozesse effizient steuern und planen. Für reibungslose Unternehmensabläufe ist dabei die Zuverlässigkeit des ERP-Systems von zentraler Bedeutung.
Das Open Source ERP
Open Source Software (OSS) wird auch als „freie“ oder „offene Software“ bezeichnet. Sie ist jedoch nicht zu verwechseln mit „Freeware“. Hier fallen keine Lizenzgebühren an und der Quellcode ist frei zugänglich, beliebig veränderbar und darf in veränderter Form weiterverbreitet werden. Im Bereich der ERP-Systeme spricht man von einem „Open Source ERP“.
Kostenlose und unbeschränkte Nutzung
Durch die fehlenden Lizenzgebühren ist die Nutzung eines Open Source ERP in der Regel kostenlos. Dennoch erheben wenige Anbieter Gebühren für die Bereitstellung der Software. Zusätzlich ist die Nutzung unbegrenzt und unabhängig von der Anzahl der User oder dem Nutzungszweck. Demzufolge können beliebig viele Mitarbeiter das System nutzen und es besteht keine Gefahr von Lizenzverstößen.
Flexibles Customizing und hoher Anpassungsbedarf
Zudem bietet ein Open Source ERP eine enorme Flexibilität, indem der Quellcode und damit das System jederzeit an die Unternehmensprozesse angepasst und wenn nötig skaliert werden kann. Dies ist einerseits nötig, um die Basisversion des Open Source ERP an die spezifischen Prozesse und Strukturen des Unternehmens anzupassen. Andererseits sind Anpassungen nötig, um häufig auftretende technische oder inhaltliche Lücken von Open Source ERP zu beseitigen. Diese resultieren aus dem oftmals geringeren Branchenkenntnissen und Erfahrungen der Open Source-Anbieter im Vergleich zu etablierten ERP-Anbietern. Außerdem umfassen ERP-Systeme auf Open Source Basis oftmals kein ausgereiftes Finanzmodul. Dieses muss dann separat angeschafft und gekoppelt werden.
Programmierkenntnisse oder externer Dienstleister nötig
So flexibel das Open Source ERP auch ist, hier gilt das Prinzip „Do It Yourself“! Denn beim Customizing unterstützt der Anbieter in der Regel nicht. Zwar findet man in speziellen Foren Tipps der Nutzercommunity, die Anpassungen müssen jedoch selbst vorgenommen werden. Dafür sind fundierte Programmierkenntnisse in Java, C++, o. Ä. erforderlich. Im besten Fall stehen diese innerhalb der unternehmenseigenen IT-Abteilung zur Verfügung. Durch den hohen zeitlichen Aufwand leiden darunter jedoch oftmals die eigentlichen Aufgaben der IT. Gibt es im Unternehmen keine Mitarbeiter mit Programmierkenntnissen, muss ein externer Dienstleister mit dem Customizing beauftragt werden. Je nach Anpassungsumfang können hier jedoch enorme Kosten entstehen.
Keine Wartung und Support
Gleiches gilt für Schulungen, den Betrieb und die Wartung des Open Source ERP. Diese Aufgaben müssen entweder durch die IT-Abteilung oder einen externen Dienstleister unter Einbezug der Nutzercommunity übernommen werden. Die dabei anfallenden Kosten und Zeitaufwände sind enorm und können den Preis einer Kauflizenz schnell übersteigen. Zudem entsteht so eine starke Abhängigkeit des Unternehmens vom Wissen des jeweiligen Mitarbeiters oder Dienstleisters.
Keine Garantie für Zuverlässigkeit und Zukunftsfähigkeit
Auch in Bezug auf die Weiterentwicklung des Systems ist das Unternehmen selbst verantwortlich oder auf die Nutzercommunity angewiesen. Kommt diese zum Erliegen, besteht die Gefahr, dass das Open Source ERP eingestellt oder nicht mehr weiterentwickelt wird. Somit sind die Investitionssicherheit und Langfristigkeit eines solchen Systems kritisch zu beurteilen. Hinzu kommt, dass der Entwickler keine Haftung für die Funktionalität und Sicherheit des Open Source ERP übernimmt. Diese ist jedoch von zentraler Bedeutung, da bereits durch kleinste Systemfehler oder -ausfälle enorme wirtschaftliche Schäden entstehen können.
Das klassische ERP im Vergleich
Neben dem lizenzfreien Open Source ERP gibt es zahlreiche kostenpflichtige ERP-Systeme. Hier wird durch Kauf oder Miete der Lizenz das Nutzungsrecht erworben. Die Anzahl der möglichen Nutzer ist dabei abhängig vom jeweiligen Lizenzmodell und beschränkt. Zudem ist der Quellcode im Gegensatz zu Open Source ERP Systemen nicht zugänglich, sondern vom Hersteller geschützt. Daher darf dieser auch nur vom Hersteller weiterverbreitet oder geändert werden.
Inhaltlich und technisch ausgereifte Funktionen
Die meisten kostenpflichtigen ERP-Systeme profitieren von der langjährigen Erfahrung und dem Branchenwissen der Softwareentwickler. Deshalb bieten die Systeme inhaltlich und technisch ausgereifte Funktionen und Schnittstellen. Zudem stehen Branchenlösungen bereit, die auf spezielle Unternehmensstrukturen und -prozesse abgestimmt sind. Allerdings nutzen vor allem mittelständische Unternehmen meist nur einen Bruchteil der komplexen Funktionen einer ERP-Software, wodurch die Benutzeroberfläche oft als kompliziert empfunden wird. Im Gegensatz zu Open Source ERP-Systemen stehen hier jedoch professionelle Schulungen durch den Hersteller oder Dritte zur Verfügung.
Customizing durch den Hersteller
ERP-Systeme bilden standardisierte und gegebenenfalls für Branchen spezialisierte Prozesse ab. Gibt es dennoch Abweichungen, so sind Anpassungen nötig. Diese können bei ERP-Systemen durch den geschützten Quellcode jedoch nicht selbst, sondern nur von zertifizierten Mitarbeitern oder Dienstleistern sowie dem Softwarehersteller vorgenommen werden. Dadurch ist das Customizing bei ERP-Systemen unter Umständen relativ kostenintensiv. Da die Systeme allerdings inhaltlich und technisch ausgereift sind, besteht meist kein oder nur geringer Anpassungsbedarf.
Wartung und Weiterentwicklung durch Hersteller
Der große Vorteil eines kostenpflichtigen ERP-Systems im Vergleich zu einem Open Source ERP liegt in der Zuverlässigkeit. Hier garantiert der Hersteller für die Funktionalität des Systems und haftet für Systemausfälle. Außerdem wird die Wartung und Weiterentwicklung der Software vom Hersteller übernommen und durch Updates auf das System übertragen. Dies umfasst auch die Einarbeitung gesetzlicher und prozesstechnischer Anforderungen. Dadurch macht sich das Unternehmen nicht von der eigenen IT-Abteilung, einer Nutzercommunity oder einem externen Dienstleister abhängig. Allerdings berechnen auch die meisten ERP-Anbieter eine Wartungs-/Servicegebühr.
Welches ist nun das richtige ERP für mein Unternehmen?
Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Open Source ERP für bestimmte Unternehmen durchaus eine Alternative zum kostenpflichtigen ERP-System sein kann. Dies betrifft jedoch nur Einzel- oder Kleinunternehmen mit einer einfachen Unternehmensstruktur, geringen rechtlichen Verpflichtungen und Mitarbeitern mit Programmier-Know-how. Hier reicht oft bereits die Standardversion eines Open Source ERP aus, die bei Bedarf selbstständig angepasst, weiterentwickelt und gewartet werden kann.
Sind jedoch zahlreiche Anpassungen nötig und muss dafür ein externer Dienstleister beauftragt werden, können die Kosten für Customizing und Support bereits über ein kostenpflichtiges ERP-System hinausgehen. Vor allem für mittelständische Unternehmen mit mehreren Standorten, komplexen Prozessen, hohen rechtlichen Anforderungen oder in speziellen Branchen ist eine Kauflizenz daher am Ende die kostengünstigere Alternative. Zudem kann man sich hier auf die Zuverlässigkeit und Weiterentwicklung des Systems durch den Hersteller verlassen. Dies ist bei ERP-Systemen besonders wichtig, da bereits kleinste Fehler oder Ausfälle des Systems rechtliche Konsequenzen oder wirtschaftliche Schäden verursachen können.
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