2. August 2023 AEC/BIM
Eine digitale Projektabwicklung eröffnet der Baubranche neue Chancen und revolutioniert die Zusammenarbeit und Verwaltung von Projekten über deren Lebenszyklus. Was mit digitaler Projektabwicklung gemeint ist und welche Vorteile diese bringt, zeigt der Gastbeitrag von Theo Agelopoulos, Vice President AEC-Sparte bei Autodesk, auf.
Architektur-, Ingenieur- und Bauunternehmen stehen vor unzähligen Herausforderungen: Fachkräftemangel, niedrige Gewinnspannen, komplizierte Richtlinien und gewisse Unwägbarkeiten bei der Beschaffung von Baustoffen sind Beispiele für aktuelle Probleme. Dazu kommt, dass Teams immer noch in „Silos“ arbeiten. Das bedeutet, dass Kommunikation und Wissen für andere Projektbeteiligte stark abgeschirmt sind. In der Folge verzögert sich nicht nur die Fertigstellung von Projekten. Auch die Kosten- und Umweltauswirkungen werden heutigen Anforderungen kaum gerecht. Doch die Branche scheint aufzuwachen: Investitionen in neue, technologiegestützte Arbeitsmethoden haben sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt.
Wenngleich viele Software-, Hardware- und Cloud-basierte Tools zu diesem Wandel beitragen werden, wird der wirkliche „Gamechanger“ letztlich die Umstellung auf eine vollständig digitale Projektabwicklung sein. Digitalisierte Arbeitsabläufe werden die Zusammenarbeit optimieren und einen nahtlosen Datenfluss während des gesamten Projektlebenszyklus ermöglichen – von der Planung über den Bau und Betrieb bis hin zur Außerbetriebnahme. Seit der Einführung von BIM vor 20 Jahren haben sich digitale Arbeitsabläufe in der Architektur, dem Ingenieur- und Bauwesen mehr und mehr etabliert. Heute nutzen 60 % der Architekten und 51 % der TGA- und Tragwerksplaner die Methode.
Bis alle Entscheidungen, die in ein Gebäude oder ein Infrastrukturprojekt einfließen, digital erfolgen können, ist einiges zu tun. Aber der Prozess bietet neben einer steilen Lernkurve auch beste Aussichten auf mehr Effizienz, weniger Risiko, hochwertigere Ergebnisse sowie eine stark verbesserte Kommunikation und Informationszugänglichkeit. Eine ganze Branche verabschiedet sich von ihrer ineffizienten Vergangenheit: ein Stapel Pläne hier, ein paar Handskizzen dort, 3D-Modelle in einem Netzwerk und die Änderungsanfragen des Bauherren in einem anderen. Und am Ende suchte man die nötige Information immer in einer Unmenge an PDF-Dateien. All diese Daten und Informationen werden nicht aufhören zu existieren. Sie werden jedoch in einer einzigen digitalen Umgebung verschmelzen, wo sie jederzeit zugänglich und veränderbar sind. Endlich lassen sich Daten dynamisch und effektiv nutzen.
Wie der Begriff vermuten lässt, handelt es sich bei einer digitalen Projektabwicklung um eine Arbeitsweise, bei der Projekte durchgängig in einem interaktiven digitalen Raum konzipiert, geplant, entworfen, errichtet und betrieben werden, wobei alle Beteiligten auf diesen Raum zugreifen können. Damit sind neben dem Auftraggeber, Architektur- und Ingenieurbüros, Bauunternehmen und Zuliefererunternehmen auch Interessenträger wie örtliche Anwohner gemeint.
Die digitale Projektabwicklung revolutioniert nicht nur die direkte Zusammenarbeit während der Planungsphase. Die Methode spielt ihre Vorteile zusätzlich bei der Lenkung, Organisation und Verwaltung von Prozessen im Rahmen des Entwurfs- und Baumanagements aus. So haben die Mitglieder des Planungsteams in der Entwurfsphase zunächst die Möglichkeit, die von ihnen verfassten Planinhalte in einem gesteuerten Prozess und in einem gemeinsamen digitalen Modell zu teilen und kollaborativ zu bearbeiten. Ist das Planungsteam in dieser Phase noch weitestgehend unter sich, kann die gemeinsame Datenumgebung im Entwurfsmanagement auch von nicht direkt an Entwurfsprozessen Beteiligten genutzt werden, um Risiken, Kosten und Sicherheitsaspekte zu steuern und mögliche Stolpersteine für das Projekt zu identifizieren.
Eine gemeinsame Datenumgebung – auch Common Data Environment (CDE) genannt – ist ein zentraler Projektdaten- und Informationsspeicher. Die gemeinsame Datenumgebung ermöglicht den Projektteams von der ersten Idee über den Entwurf bis hin zum Bau und Betrieb eine bessere Zusammenarbeit im Rahmen eines digitalen Prozesses. Die CDE kann 3D-Modelle, Baudokumentation, Projektverträge, Zeitpläne, Nachträge und andere Daten und Informationen umfassen. So lassen sich die im Rahmen des BIM-Prozesses erstellten Daten besser nutzen und gewinnen an Wert. Diese gemeinsame Datensprache ist durchgängig strukturiert und für die Zusammenarbeit in Echtzeit optimiert. Das ermöglich eine datengestützte Entscheidungsfindung und mindert das Projektrisiko.
Darüber hinaus verbessert eine gemeinsame Datenumgebung die Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten und ermöglicht die digitale Übergabe von Bauwerken als deren digitaler Zwilling. Dadurch verlängert sich die Wertschöpfung des BIM-Prozesses auf die Betriebsphase. Die Autodesk Construction Cloud (ACC) verbindet Workflows, Teams und Daten und bietet Planern und Ausführenden eine gemeinsame Datenplattform mit einer einheitlichen Nutzererfahrung. Selbstverständlich unterstützt die Cloud einschlägige Branchenstandards wie ISO 19650.
In einer gemeinsamen Datenumgebung arbeiten die Teammitglieder über cloudbasierte standardisierte Abläufe und eine gemeinsame Datensprache zusammen
Von den Unternehmen, die BIM-Methoden einsetzen, geben 80 % an, bereits ebenfalls eine Art der gemeinsamen Datenumgebung zu nutzen. Auf der anderen Seite gibt es noch viel Luft nach oben. Fast ein Drittel der Unternehmen in der Baubranche gibt an, dass keine ihrer Softwarelösungen integriert ist. So verwundert es kaum, dass weltweit noch immer 52 % der Mängel auf schlechte Daten und Kommunikation zurückzuführen sind.
Ein digitaler Zwilling ist ein digitales Abbild eines realen Objekts. Dabei kann es sich um ein Gebäude, eine Autobahn, eine Brücke oder verfahrenstechnische Anlagen handeln. Bei diesem digitalen Modell handelt es sich um weit mehr als nur um eine visuelle und geometrische Darstellung eines Objekts. Tatsächlich steckt das Modell voller nützlicher Daten über das Objekt, die neben seinen geometrischen und materiellen Eigenschaften beispielsweise auch Angaben über Zulieferer von Bauteilen und deren Einbaudatum enthalten.
Indem sie Bauwerke oder technische Anlagen mit Echtzeitdaten verknüpfen, ermöglichen digitale Zwillinge die Visualisierung, Überwachung und Optimierung ihrer realen Pendants. So lassen sich im digitalen Zwilling beispielsweise der Durchfluss durch ein Rohrleitungssystem oder der Energieverbrauch eines Gebäudes erfassen. Digitale Zwillinge gehen aus dem BIM-Prozess hervor und können durch Kombination mit Technologien wie der künstlichen Intelligenz (KI) oder dem maschinellen Lernen schon heute auf beeindruckende Weise eigenständig Probleme lösen und Was-wäre-wenn-Szenarien simulieren.
Die Cloud bietet bekanntlich großes Potenzial zur Optimierung der Zusammenarbeit von Teams bei Planungsprozessen. Genau da setzt Autodesk BIM Collaborate Pro an. BIM Collaborate Pro sorgt für ein unabhängiges Arbeiten fernab von örtlichen Netzwerken, VPNs und Netzwerkordnern. Die Projekte können schneller fertiggestellt werden, da deutlich weniger Nachfragen nötig sind und weniger nachgebessert werden muss. Die Software bietet den verschiedenen Akteuren im Bauwesen eine elegante Möglichkeit, Projektinformationen zu organisieren, den Datenzugriff zu demokratisieren und Teams zu vernetzen. Sie verbessert die Projekttransparenz und macht das Co-Authoring in Autodesk Revit, Civil 3D oder Plant 3D nicht nur möglich, sondern auch intuitiv und einfach.
Mit der Umstellung auf die Cloud können Bauunternehmer ganz bequem den tatsächlichen Bestand mit der Planung vergleichen
Das System setzt in erster Linie auf den schlagenden Vorteil der Cloud: Zusammenarbeit jederzeit und überall. Auf der Baustelle kann das Modell dafür genutzt werden, die fertiggestellten Abschnitte mit dem Bau-Soll zu vergleichen, das durch die Architekten und Fachplaner vorgegeben wurde. Ein weiterer Vorteil kann ausgespielt werden, wenn – wie so häufig – unvorhergesehene Umstände auftreten: die Ausführenden der verschiedenen Gewerke wie Rohbau oder TGA können in diesem Fall das Modell nutzen, um die neue Baustellensituation zu prüfen und die Auswirkungen auf ihre Leistungen frühzeitig abzuschätzen.
Eine digitale Projektabwicklung bietet allen Beteiligten unübersehbare Vorteile. Aus Sicht der Architekten und Ingenieure vereinfacht und verbessert die gemeinsame Entwicklung der Entwürfe mit der BIM-Methode in einem gemeinsamen koordinierten Modell in erster Linie die Zusammenarbeit der Fachdisziplinen. Dadurch können Probleme früher erkannt und Ungenauigkeiten noch vor Beginn der Bauausführung korrigiert werden. Dies wiederum reduziert die Kosten, die sich aus Abweichungen und den damit verbundenen Nachträgen ergeben.
Eine digitale Projektabwicklung ermöglicht es den Akteuren, eine proaktive Position einzunehmen, anstatt den Problemen notorisch hinterherlaufen zu müssen. So können die Daten genutzt werden, um die Verantwortung gleichmäßig auf das gesamte Team zu verteilen. Die einzelnen Experten können somit fachspezifische Probleme vorhersehen und lösen. Wenn Daten transparent, durchsuchbar und exportierbar sind, können Teams früher auf Informationen zugreifen, um bessere Entscheidungen zu treffen, die zu einem optimalen Ergebnis führen.
Die digitale Projektabwicklung schafft eine Arbeitsumgebung ohne Abschottung, die mehr Interaktion mit den Teammitgliedern und eine kürzere Projektlaufzeit als bei herkömmlichen Arbeitsweisen ermöglicht. Die im Laufe des Projekts gesammelten Daten bieten dem Unternehmen einen Mehrwert. Dieser kann nicht nur im aktuellen, sondern auch bei zukünftigen Projekten genutzt werden.
Mit einem gemeinsam genutzten und dynamisch aktualisierten Modell behalten Bauunternehmen die Übereinstimmung mit der Planung effektiv im Blick und vermeiden Fehler
Die technologischen Möglichkeiten der digitalen Projektabwicklung werden sich umso mehr erweitern, je mehr projektbezogene Daten generiert werden. Voraussetzung ist, dass die Architekten, Ingenieure, Bauunternehmen, Eigentümer und Betreiber lernen, diese zu interpretieren. In dieser Phase wird es nicht mehr nur darum gehen, große Datenmengen zu horten. Vielmehr geht es um die optimale Verwaltung granularer Projekt- und Anlagendaten. Die Trennung zwischen Dateitypen und Plattformen wird aufgehoben und entsprechende Front-End-Schnittstellen werden die Daten stattdessen aus einem umfangreichen Cloud-Informationsmodell abrufen. In dem Maße, in dem sich die Branche bei der digitalen Projektabwicklung von produkt- und dateibasierten zu daten- und plattformbasierten Prozessen bewegt, wird der Wert der Daten weiter ausgeschöpft und die Möglichkeiten der Technologie drastisch erweitert.
Eine digitale Projektabwicklung bewährt sich zunehmend und wird in Zukunft für Unternehmen der AEC-Branche unverzichtbar werden. Kein einziger Aspekt, der die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Bauwerken betrifft, wird davon unberührt bleiben. Dabei gilt: Der Datenreichtum ist nur dann wirklich wertvoll, wenn die Daten auch genutzt werden. Die digitale Projektabwicklung wird zu besseren Einblicken, schlankeren Abläufen, mehr Transparenz, intelligenteren Entscheidungen und mehr Nachhaltigkeit führen. Das sind gute Nachrichten für alle Akteure.
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Redshift, einer Autodesk-Publikation, um Designer, Ingenieure, Architekten und Hersteller zu inspirieren. Haben Sie Lust auf mehr Inhalt? Abonnieren Sie den Redshift-Newsletter.
Über den Autor: Theo Agelopoulos ist Vice President der AEC-Sparte von Autodesk und Experte der digitalen Transformation. Er kennt sich bestens mit Themen aus wie CAD, BIM, GIS, Cloud, Reality Capture, Künstliche Intelligenz/Maschinelles Lernen und digitale Zwillinge.
Bildquellen: Autodesk, N+P
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