26.10.2017 — Digitales Gebäude — Thomas Symanneck

Koordinatensysteme in Revit

In diesem Beitrag soll das Koordinatensystemkonzept von Revit vorgestellt und näher beleuchtet werden. Anhand von praktischen Beispielen werden Funktionen und Möglichkeiten erläutert.

    Koordinatensysteme in Revit – Teil 1
    Thomas Symanneck
    Über den Autor
    Thomas Symanneck hat als Senior Consultant für BIM/AEC zahlreiche Kundenprojekte erfolgreich begleitet. Mit seinem spezialisierten Know-how im Bereich Autodesk-Produkte für Infrastruktur ist er ein wertvoller Partner für Unternehmen, die auf digitale Prozesse setzen. Seine bewährten Workflows und praktischen Tipps teilt er in unserem N+P-Blog.

    Es existieren zwei verschiedene Koordinatensysteme in Revit:

    Symbole des Projektbasispunkts und Vermessungspunkts Koordinatensysteme in Revit

    Abb. 1: Symbole des Projektbasispunkts und Vermessungspunkts

    Wenn in Autodesk Revit ein neues Projekt über eine Standardvorlage gestartet wird, sind beide Koordinatensysteme in der Grundrissansicht (Ebene 0) zunächst nicht sichtbar.
    Um sie sichtbar zu machen, müssen im Sichtbarkeit/Grafiken-Dialog die Unterkategorien Projektbasispunkt und Vermessungspunkt eingeschaltet werden.

    Die Punkte erscheinen auf dem Bildschirm. Sie liegen bei Projektstart übereinander und können nicht gelöscht werden. Beide Punkte können im Modellraum unabhängig voneinander verschoben werden.

    Unterkategorien der Kategorie Grundstück im Sichtbarkeit/Grafken Dialog

    Abb. 2: Unterkategorien der Kategorie Grundstück im Sichtbarkeit/Grafken Dialog

    Versucht man dies in einer Grundrissansicht, so stellt man fest, dass der Projektbasispunkt (im Folgenden als PBP bezeichnet) seine Koordinaten ändert, während der Vermessungspunkt (im Folgenden als VP bezeichnet) immer die Koordinaten 0,0,0 beibehält. Dabei spielt es keine Rolle, ob der PBP vom VP wegbewegt wird oder umgekehrt. Der PBP gibt seine Lage im Raum immer im Bezug zum VP an.

    Beide Punkte sind nicht die „wahren“ Ursprungspunkte der Koordinatensysteme in Revit. Sie markieren diese nur. Der Projektbasispunkt markiert den Ursprung des Projektkoordinatensystems (im Folgenden als ProjektKO bezeichnet), der Vermessungspunkt den Ursprung des Vermessungskoordinatensystems (im Folgenden als VermessungsKO bezeichnet).

    PBS: gemeinsam genutzter StandortBeide Markierungspunkte besitzen ein Heftklammersymbol und wenn dieses gelöst wird, können PBP und VP von Ihren jeweiligen internen, nicht sichtbaren Ursprungspunkten wegbewegt werden. In den meisten Fällen ist es nicht notwendig den PBP oder den VP von ihren internen Ursprüngen zu lösen. Projektsituationen, in denen diese Funktion sinnvoll ist, sollen im Folgenden noch vorgestellt werden.

    Vergleicht man das Koordinatensystemkonzept in Revit mit dem von Autocad, so fallen folgende Gemeinsamkeiten auf:

    Auch in Autocad existiert mehr als ein Koordinatensystem: das Weltkoordinatensystem (WKS) und die Benutzerkoordinatensysteme (BKS). Das WKS ist das feste System und definiert den absoluten Ursprung der Zeichnung, x/y/z = 0/0/0. Die Benutzerkoordinatensysteme sind variabel und können in beliebiger Anzahl erstellt, positioniert und ausgerichtet (gedreht) werden. Da in Revit das VermessungsKO immer die Koordinaten 0,0,0 besitzt, kann es als WKS, das variable ProjektKO als BKS aufgefasst werden. Im Unterschied zu Autocad ist das VermessungsKO als WKS nicht an den Modellraum fixiert, sondern frei verschiebbar. Dies ermöglicht eine zusätzliche Flexibilität, wie man später noch sehen wird.

    Projektkoordinatensystem

    Das Projektkoordinatensystem ist in Revit das Bezugskoordinatensystem für sämtliche modellierten Bauteilelemente. Anders als in Autocad können Lagekoordinaten von Geometrieelementen in Revit nicht sichtbar gemacht werden, weder in den Bauteileigenschaften noch an anderer Stelle. (Es sei denn, man beschriftet sie mit einer Punkt-Koordinate). Programmintern sind sie jedoch vorhanden und werden wie in anderen CAD-Systemen in der Projektdatei gespeichert.

    Der wahre Ursprung des ProjektKO wird in Revit an verschiedenen Stellen auch als „Ursprung“, „Projektintern“ oder „Startpunkt“ bezeichnet (im Verknüpfungs-Einfüge-Dialog, im DWG-Export-Dialog> Reiter Einheiten u. Koordinaten). Der PBP kann jederzeit auf den Startpunkt zurückgesetzt werden. (Das Heftklammersymbol am PBP lösen, Rechte-Maustaste-Klick auf PBP, im Kontextmenü auswählen „auf Startpunkt verschieben“).

    Um den internen Ursprung des Projektkoordinatensystems existiert ein „zulässiger“ Modellierungsbereich mit einem Durchmesser von 33 km (im Englischen 20 Meilen) in jede Raumrichtung. Geometrieelemente sollten innerhalb dieses 33 km-Bereichs um den internen Ursprungspunkt modelliert werden. Werden sie außerhalb platziert oder dorthin verschoben, hat dies unter Umständen zur Folge,

    • dass Geometrieelemente nicht mehr korrekt dargestellt werden,
    • es zu allgemeinen Performance-Einbußen kommen,
    • es Fehlfunktionen beim Objektfang geben kann.
    Revit-Warnhinweis: Geometriegrenzen überschreiten 33 km - Koordinatensysteme in Revit

    Abb. 4: Revit-Warnmeldung beim Einfügen von einer DWG-Datei, deren Geometriegrenzen den 33 km-Bereich überschreiten.

    Die Ursachen für dieses Verhalten sind computertechnische Gründe. Revit kann mit sehr großen Zahlenwerten offensichtlich nicht umgehen. Da Zahlen auf Computer-Datenträgern im binären Format gespeichert werden, findet programmintern eine Umrechnung statt. Dazu stehen Zahlenspeicherformate unterschiedlicher Größe und Genauigkeit zur Verfügung (z. B. Single- oder Double-Float-Format). Die Begrenzung des Modellierungsbereichs macht sich in Revit beispielsweise bemerkbar, wenn eine DWG-Datei eingefügt wird, deren Geometriegrenzen den 33 km-Abstand überschreiten. Es erscheint folgende Warnmeldung:

    Würfel mit internem Ursprungspunkt

    Abb. 5: Würfel, Kantenlängen von 20 Meilen, interner Ursprungspunkt

    Den zulässigen Modellierungsbereich kann man sich auch als einen Würfel mit Kantenlängen von 33 km vorstellen, dessen Mittelpunkt der interne Ursprung darstellt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass wenn der PBP verschoben wird, auch der Modellierungsbereich und jegliche dort platzierte Geometrie mit verschoben werden.

     

    Fenster Eigenschaften des Grundriss

    Abb. 6: Parameter-Ausrichtung in
    den Eigenschaften der
    Grundrissansicht


    Eine weitere Eigenschaft des Projektkoordinatensystem ist die ihm zugeordnete Grundriss-Ausrichtung Projektnorden. Projektnorden ist die Standard­einstellung für Grundrissansichten und wird über den Parameter Ausrichtung gesteuert, der in den Eigenschaften jeder Grundrissansicht zu finden ist. Bei Projektnorden-Einstellung sind die Achsen des PBP orthogonal ausgerichtet und zeigen in Richtung der Bildschirmränder.

    Tipp: Wenn ein Modell gezeichnet wird, sollte unbedingt in der Projektnorden-Ausrichtung gearbeitet werden. Die Mehrzahl der Bauteilelemente sollten eine orthogonale Ausrichtung zu den X- und Y-Achsen des Projektkoordinatensystems haben.

    Vermessungskoordinatensystem

    Das Vermessungskoordinatensystem besteht aus dem nicht sichtbaren, internen Ursprung, den ihn markierenden VP und der zugeordneten Grundrissausrichtung geografischer Norden.
    Es wird in anderen Dialogfenstern auch als „Gemeinsam Genutzt“ oder „Gemeinsame Koordinaten“ bezeichnet. Diese Bezeichnung stammt daher, dass das VermessungsKO mit eingefügten Revit-Verknüpfungen synchronisiert werden kann. Das Koordinatensystem wird dann gemeinsam genutzt.

    Gemeinsam genutzter Standort des Vermessungspunktes

    Abb. 7: markierter Vermessungspunkt

    Markiert man den VP mit dem Mauscursor, so werden seine Achsen, Bezeichnung und Lagekoordinaten sichtbar. Letztere erscheinen in schwarzer Schrift, sind nicht änderbar und betragen 0,0,0.
    In blauer Schrift erscheint die Bezeichnung Vermessungspunkt-Intern.

     

    Auf sie kann geklickt werden und das Dialog-Fenster Orte, Wetter und Standorte öffnet sich. In dem Reiter Freiflächen, Außenanlagen können neue Positionen des Vermessungskoordinatensystems gespeichert werden. Dazu muss der aktuelle Standort dupliziert, benannt und mit dem Button Als Aktuell definieren aktuell geschaltet werden. Nach Bestätigen des Dialogfensters kann der VP (oder der PBP) im Modellraum auf eine neue Position verschoben werden, die dann dauerhaft unter dem neuen Namen gespeichert ist. Tatsächlich werden nicht die Position des VermessungsKO, sondern die Koordinaten des PBP gespeichert. Sie ändern sich bei einer Verschiebung des Vermessungspunkts.

    Das Dialogfenster Orte, Wetter und Standorte kann auch über den Befehl Standorte in der Multifunktionsleiste (MFL)>Reiter Verwalten>Befehlsgruppe Projektposition> Befehl Standort geöffnet werden.

    Wie der PBP so kann auch der VP über die Heftklammer gelöst und von seinem internen Ursprung verschoben werden. Sobald die Fixierung aufgehoben ist, erscheinen die Koordinatenfelder in blauer Schrift und sind bearbeitbar. Die Koordinaten des VP beziehen sich bei einer Verschiebung auf den nicht sichtbaren, internen Ursprung des Vermessungskoordinatensystems.

    Der VP kann auf seinen internen Ursprung zurückgesetzt werden, indem seine Koordinatenfelder im unfixiertem Zustand auf null gesetzt werden.

    Parameter Ausrichtung: Geografischer Norden/Projektnorden

    Zwischen den Koordinatensystemen kann ein Winkel eingestellt werden, der sie gegeneinander verdreht. Dies geschieht bei markierten PBP im Feld Winkel gegen geographischen Norden oder in den Eigenschaften.

    Folgender Workflow:

    • Bei markiertem PBP in dem Feld Winkel gegen geographischen Norden einen Winkel eintragen (Abb. 8).
    • Wird der VP ausgewählt, erscheint er um den eingegebenen Winkel gegen den Uhrzeigersinn gedreht (Abb. 9).
    • In den Eigenschaften der Grundrissansicht den Parameter Ausrichtung von Projektnorden auf Geographischer Norden

    Folge: Das VermessungKO richtet sich orthogonal aus. Die Y-Achse zeigt gegen den oberen Bildschirmrand. Das Projektkoordinatensystem und mit ihm die gesamte Grundrissansicht dreht sich um den eingegebenen Winkel im Uhrzeigersinn. (Abb. 10 und  Abb. 11).

    Vermessungskoordinatensystem gedreht im UZS

    Abb. 9: Markierter VP,
    Ausrichtung = Projektnorden;
    im UZS gedrehtes Vermessungskoordinatensystem.

    Urspüngliche Ausrichtung nach Projektnorden - Koordinatensysteme in Revit

    Abb. 8: Markierter PBP, Ausrichtung = Projektnorden, Winkel gegen geografischen Norden = 30°.

    Drehung der Grundrissansicht um 30°

    Abb. 10: Markierter PBP,
    Ausrichtung = Geographischer Norden;
    PBP und Grundrissansicht ist um 30° im UZS gedreht.

    Drehung Grundrissansicht um 30°

    Abb. 11: Markierter VP,
    Parameter Ausrichtung = Geographischer Norden;
    Grundrissansicht ist um 30° im UZS gedreht.

    Diese Funktion ermöglicht es, ein 3D-Modell aus einer Arbeitsposition (= Projektnorden Ausrichtung) in eine tatsächliche geografische Lage auszurichten, wie man sie beispielsweise auf einer Karte oder auf Google Maps findet.

    Menüfunktionsleiste Reiter Geografischer Norden drehen

    Abb. 12: Befehl Geografischer Norden drehen auf der MFL, Reiter Verwalten

    Die Vorgehensweise ist äquivalent zu dem Befehl Geografischen Norden drehen (Abb. 12) (MFL> Gruppe Projektposition> Fly-Out-Befehl Position> Befehl Geografischer Norden drehen).

    Einen Workflow für die Anwendung des Befehls Geografischen Norden drehen findet man unter folgendem You-Tube-Link.

    Beschriftungen mit Koordinatenbezug

    In Revit existieren drei Beschriftungsarten (bzw. Familien) mit Koordinatensystembezug: Die Punkt-Koordinaten, die Höhenkoten (Koordinaten) und die Ebenen. Sie alle haben in ihren Typeigenschaften einen Parameter, der ihren Bezug zu einem Koordinatensystem steuert. Tabelle 1 enthält eine Übersicht.

    Tabelle: Beschriftungen mit Koordinatenbezug

    Tabelle 1: Beschriftungen mit Koordinatenbezug

    Damit kann die Koordinaten-Anzeige der Beschriftungen gesteuert werden, wenn VP und PBP voneinander verschoben werden. Falls beispielsweise die Höhenlage eines Projektes bekannt ist, kann in einer Schnittansicht der PBP auf die gewünschte Höhe verschoben und in den Typeigenschaften der Höhenkote der Bezug VP eingestellt werden. Höhenkoten zeigen dann ihre Höhenkoordinate mit Bezug zum VP an (Abb. 13) (Statt einer manuellen Verschiebung des PBP kann auch in dem Höhenfeld des PBP direkt ein Höhenwert eingetragen werden).

    Süd-Ansicht: Verschobener PBP, Höhenkote mit VP-Bezug

    Abb. 13: Süd-Ansicht: Verschobener PBP, Höhenkote mit VP-Bezug

    Anmerkung: Die Bezeichnung Vermessungspunkt in den Typeigenschaften der Koordinatenbeschriftungen ist in Revit falsch. Es muss interner Ursprung des VermessungsKO heißen. (Dies kann man sehr einfach überprüfen, indem man den VP löst und vom internen Ursprung wegbewegt. Die Punktkoordinaten-Beschriftungen ändern ihre Koordinatenwerte nicht).

    Weitere Anwendungen und Befehle zu den Koordinatensystemen in Revit

    Modell-Verknüpfungs-Szenarien unter Nutzung von gemeinsamen Koordinaten

    Abb. 14: Befehle zu den Koordinatensystemen, MFL>Reiter Verwalten> Gruppe Projektposition, Fly-Out Koordinaten.

    Das Koordinatensystemkonzept des BIM-Programms Revit ist anders als in manch anderem CAD-Programm. Bei genauerer Betrachtung entdeckt man manche Gemeinsamkeit aber auch Unterschiede. Eine wichtige Anwendung ergibt sich erst im Zusammenhang mit Revit-Verknüpfungen. Verknüpfungen in Revit sind das Pendant zu X-Refs in Autocad.

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